E 228
Biblische Geschichten 2




Kommentar von Pitichinaccio





Biblische Geschichten 2

oder:

Ein mörderisches Märchenbuch




Angesichts der blutrünstigen Vorlage, die als Film niemals eine FSK-18-Kontrolle bestehen könnte, bleibt einem nicht viel mehr, als sich zu fragen, welcher Gott eigentlich nach anfänglich guten Ideen sein von ihm geschaffenes und auserwähltes Volk derart piesacken kann.

Die Rettung der flüchtenden Juden durch den Trick mit dem Roten Meer könnte man ja noch als Nothilfe durchgehen lassen, aber die Eroberung Kanaans, welche Gott seinem Volk auf die To-Do-Liste schreibt, lässt schon wieder alte Muster aus Folge 1 erkennen. So wird dann auch Jericho mit dem ersten Open-Air-Festival der Geschichte dem Erdboden gleichgemacht - ein Ereignis, das wohl nur mit den heutigen Heavy-Metal-Konzerten in Wacken vergleichbar ist. Aber nach der vollständigen Eroberung Kanaans dauert es natürlich nicht lange, bis Gott wieder unzufrieden ist. Erst fordert er den Völkermord an den Amalekitern, um gleich danach empört zu sein, dass sein auserwähltes Volk nicht auch deren Tiere abgeschlachtet hat. So lässt er die Philister angreifen, die König Saul und seine Leute über den Jordan schicken. Da wundert es einen fast, dass König Salomo anschließend nicht - wie angedroht - das umkämpfte Kind tatsächlich in zwei Hälften teilen lässt. (Es wäre in dieser Aneinanderreihung von Mord und Totschlag aber auch als Lappalie untergegangen.) Und als König Salomo Gott dann auch noch einen schönen Tempel baut, ist erst einmal wieder Ruhe - aber nur kurz. Nach einem spontanen Gemetzel an den Priestern des Baal lässt Gott, wieder einmal seines auserwählten Volkes überdrüssig, dieses durch die Assyrer und Babylonier vertreiben und gefangen nehmen. Nur als der babylonische König Belsazar aus dem falschen jüdischen Opferbechern trinkt, ja, da ist Gott sofort zur Stelle, um sich nun auf einmal wieder vor sein Volk zu stellen, in meinen Augen allerdings nur aus gekränkter Eitelkeit. Das Hörspiel schließt dann mit einem Cliffhanger unter Hinweis auf einen Special Guest Star aus Nazareth.

Man wagte sich im Jahr 1968 mit der Bibel an einen für ein Hörspiel sehr ungewöhnlichen Stoff, was schlichtweg darauf zurückzuführen war, dass Konrad Halver einer sehr christlich geprägten Familie entstammte. In Zusammenarbeit mit seinem Vater, seines Zeichens Propst in Hamburg, entstand das zweiteilige Hörspielskript, welches die wichtigen Ereignisse des Alten Testaments wie auf einer Perlenschnur aneinanderreiht. Auch wenn die Produktion sehr unterhaltsam daherkommt: Der ernsthafte Tonfall lässt keinen Zweifel an der Absicht, den jungen Hörer einzunorden - immer schön brav sein, Geduld und Nachsicht sind nicht Gottes Stärken!

In der Rolle des Herrn bewährt sich Benno Gellenbeck mit unnachgiebiger Donnerstimme - wobei ich immer den Zeichentrickgott aus »Die Ritter der Kokosnuss« vor mir sehe, als dieser durch die Wolken schaut und zu Artus sagt: »Kriech nicht vor mir! Wenn ich etwas nicht ausstehen kann, dann Leute, die kriechen. Und hör auf, dich zu entschuldigen. Immer, wenn ich mit jemandem zu sprechen versuche, heißt es: Entschuldige dies und verzeih mir das, ich bin unwürdig und so!« Den Erzählerpart des Hörspiels übernimmt Horst Stark, aber leider gerät diese Interpretation zu einer recht sachlichen Reportage - ein Phänomen, das sich mit Horst Stark als Erzähler bei »Klaus Störtebeker - Gottes Freund und aller Welt Feind« noch deutlicher manifestiert. So sehr ich Horst Stark schätze, aber in den von ihm übernommenen Rollen bewährt er sich besser. Die übrigen Sprecher übernehmen eher kleinere und teilweise mehrere Rollen, weshalb man wohl auch auf eine dezidierte Darstellung von Personen und Sprechern auf dem Cover verzichtete. Star des zweiten Teils dieser Produktion ist fraglos Rudolf Fenner, der mit den Interpretationen von Goliath und Belsazar echte Bravourstückchen abliefert. Eigentlich erwartet man die ganze Zeit, dass er sein Gegenüber ohne Ankündigung auffrisst oder ihm zumindest den Kopf abreißt. Ansonsten bleibt den Schauspielern wenig Platz für die Ausgestaltung einer Rolle, denn auf Grund der stakkatoähnlichen Aneinanderreihung von Szenen hat eine Figur oft nicht mehr als zwei, drei Sätze. Die Gesamtleistung geht aber durchweg in Ordnung.

Musikalisch bediente man sich - wahrscheinlich unter Federführung von Andreas Beurmann - ausschließlich bei Händels Wasser- und Feuerwerksmusik. Natürlich besteht eine gewisse Nähe zwischen dem Thema Bibel und barocker Musik, aber bisweilen hätten dramatischere Passagen modernerer Werke dem Hörspiel nicht geschadet. Dem aufmerksamen Hörer wird auffallen, dass diese Produktion kurz vor den »Winnetou«-Hörspielen entstand, denn neben den Sprechern weisen auch die Geräusche auf den blutdurchtränkten Grün- und Gebirgsflächen deutliche Ähnlichkeit mit denen der nordamerikanischen Prärie auf. Jehova meets Manitou!

Fazit: Auf jeden Fall geriet diese Produktion, wieder einmal Dank Konrad Halver, zu einem Unikum im Hörspielkatalog von EUROPA und präsentiert sich dabei durchaus hörenswert.





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