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Kommentar von Pitichinaccio





»Wo der Wille schwach ist, ist der Weg nicht weit.«

(der Lahme)




Vorwort:

Auf den Rückcovern der EUROPA-Schallplatten meiner Kindheit wurde überproportional häufig der »Schlaraffenland«-Zweiteiler beworben. Und so sehr mich auch die bunten Cover dieser Geschichte reizten - ebenso wenig konnte ich mir vorstellen, was denn eigentlich der Inhalt dieser Geschichte sein sollte. Klar, das Stichwort Schlaraffenland sagte mir natürlich etwas, aber eben mehr als abstrakter Begriff für eine Gegend, wo man alles bekommt, was man will, und wo es eben keine Sorgen gibt. Aber was sollte da denn genau passieren?

Ein weiteres Problem bestand darin, dass die beiden Schallplatten trotz der omnipräsenten Werbung nie im Laden unter den anderen Hörspielen zu finden waren. So dauerte es denn gut zwanzig Jahre, bevor ich die LPs schließlich in den Händen halten durfte. Etwas misstrauisch, ob Märchen, die man nicht aus den Kindertagen kannte, einen Erwachsenen noch mitreißen konnten, tauchte ich also ein die Welt des Schlaraffenlandes ... und siehe da: Eine kleine Hörspielperle wurde entdeckt.

Zu diesem Hörspiel:

Der Inhalt des ersten Teils lässt sich einerseits recht einfach zusammenfassen, denn im Ergebnis hören ein fauler Bauer und ein dummer Zimmermann vom Schlaraffenland und machen sich auf den Weg dorthin. Vor einem riesigen Grützberg endet zunächst ihr Weg und damit auch dieses Hörspiel. Wie so oft im Leben ist jedoch auch hier der Weg das Ziel, und so nimmt die Produktion den Hörer auf Grund ihrer originellen Details für sich ein.

Die beiden tumben Gesellen, die wir bei ihren Erlebnissen begleiten, erfahren nämlich im Wirtshaus »Zum Schlauen Affen« erstmalig vom Schlaraffenland von den dortigen Gästen, zu denen unter anderem Tölpel, Narren, Federfuchser, Neunmalkluge, Beamtenschimmel, Luftikusse, Wolkenkieker, der kleine Schlaumeier und der Hans-Dampf-in-allen-Gassen gehören. Sie alle machen dem Bauern und dem Zimmermann im wahrsten Sinne des Wortes den Mund wässrig mit den kulinarischen Vorzügen jenes scheinbar traumhaften Landes. Nur ganz nebenbei berichten sie, die alle schon im Schlaraffenland waren, dass dort die Wahrheit und die Mäßigung zur unbedingten Ausweisung führen ...

Nach dem Aufbruch aus dem Wirtshaus wird der Hörer dann auch mit Sinn und Unsinn von Sprichworten und deren Moral konfrontiert, nachdem ein Blinder dem Bauern und dem Zimmermann den Weg ins Schlaraffenland gezeigt hat, oder besser: den roten Faden, der ins Schlaraffenland führt. Als sie diesen verlieren, weigert sich obendrein ein Stummer, ihnen den Weg zu erklären. Aber ein Lahmer springt ihnen - ebenfalls im wörtlichen Sinn - bei und begleitet sie. Verabschieden tut dieser sich mit den Worten: »Und nun lebt wohl und geht zum Teufel ... es ist der gleiche Weg!«

Neben der Handlung, die sich zwar manchmal an der Grenze zum Klamauk bewegt, aber nie in diesen abgleitet, sorgen auch die Stammsprecher der frühen 1970'er für gute Unterhaltung. Franz-Josef Steffens als Bauer und Andreas von der Meden als Zimmermann bewähren sich abermals als großartiges Gespann. Nahezu parallel dürfte die Aufnahme zu »Perry Rhodan - Invasion der Puppen« entstanden sein, in welcher die beiden Granden in die Rollen von Kersh und Borghese schlüpften. Die übrigen Rollen haben eher begleitenden Charakter, aber unter anderem Horst Beck, Helmut Kolar und Marga Maasberg liefern eine wirklich komisch-kuriose Szene im Gasthaus »Zum Schlauen Affen« ab.

Nachwort:

Es ist wohl auch dem Zeitgeist der "wilden Siebziger" zu danken, dass diese etwas ungewöhnliche Produktion Eingang in den EUROPA-Hörspielkatalog für Kinder fand. Wenn die Geschichte auch andere, wirklich sozialkritische Hörspiele dieser Zeit nicht von den ersten Plätzen verdrängen kann, so bietet sie durchaus mehr als nur ein ulkig erzähltes Märchen. Denn wer hätte schon damit gerechnet, dass es durchaus wünschenswert sein kann, das Schlaraffenland wieder zu verlassen?





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