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Kommentar von Christoph |
Zugegeben, eine dicke Schwarte wie Charles Dickens »David Copperfield« aus dem Jahre 1849/50 elegant und gleichzeitig treffsicher in ein Hörspiel zu verpacken, ist schon eine kaum zu bewältigende Mammutaufgabe. Somit ist klar, dass bei einem knapp 40minütigen Hörspiel wohl auf mehr als die Hälfte verzichtet werden muss, um überhaupt noch etwas Hörbares abzuliefern. Demzufolge befasst sich dieses Hörspiel lediglich mit dem jungen (kindlichen) David Copperfield und dies ebenfalls in sehr stark geraffter Form. Dennoch ist auch in dieser stark gekürzten Darstellung die Liste der einzelnen Charaktere für ein Kinderhörspiel verhältnismäßig lang, sodass es der kleine Hörer allein schon aus diesem Grunde nicht ganz leicht hat. Das Ganze wird dadurch etwas schwer überschaubar, und wer das Buch beziehungsweise den tollen Film aus dem Jahre 1935 mit dem jungen Freddie Bartholomew nicht kennt, wird einige Mühe haben, sich zurechtzufinden. Auch ist es möglich, dass einige Sachverhalte mangels Unkenntnis nicht richtig verstanden beziehungsweise falsch interpretiert werden könnten. Kennt man den jungen David Copperfield aus David O. Selznicks besagtem Film, so bin ich noch weit weniger einverstanden mit Heikedine Körtings Wahl, die Titelrolle von Stefan Schwade sprechen zu lassen. Er macht seine Sache recht gut, doch hätte eine etwas kindlichere Stimme weitaus besser gepasst. Auch weiß er als gequälte und oft verängstigte Hauptfigur nicht immer zu überzeugen - man nimmt ihm das alles nicht so ganz ab. Erfreulicherweise sind die übrigen Rollen wesentlich besser besetzt und viele bekannte Stimmen sind in Davids Umfeld auszumachen. Da wäre zum Beispiel die nette Karin Lieneweg (ja, die gute Tante Mathilda Jonas), welche Davids Kindermädchen Clara Peggotty spricht oder die unnachahmliche Reinhilt Schneider, die Davids verzweifelte Mutter ins Mikro haucht. Auch Horst Breiter als das personifizierte Scheusal Mr. Murdstone lehrt einem wahrlich das Fürchten, auf dass man niemals mit dem bedauernswerten David tauschen möchte. Andreas von der Meden, Peter Kirchberger (beide sogar in Doppelrollen), Ernst von Klipstein sowie Franz-Josef Steffens als einfältiger, jedoch kindguter Mr. Dick geben sich hier ebenfalls die Ehre. Wie bereits erwähnt, wird auf den heranwachsenden Copperfield gänzlich verzichtet und auch das Kleinkind David wird hier nicht näher beschrieben. Man fällt sozusagen buchstäblich mit der Tür ins Haus, indem kurz Davids Kindermädchen Clara Peggotty vorgestellt wird und im nächsten Augenblick die frischverliebte Mutter mit dem dämonischen Mr. Murdstone das Haus betritt. Kinder haben natürlich ein sehr feinfühliges und ausgeprägtes Gespür, jedoch weiß man (im Hörspiel) anfangs nicht, warum David seinem künftigen Stiefvater so dermaßen ablehnend begegnet. Davids Mutter eröffnet, dass der spätere Kotzbrocken Mr. Murdstone jetzt öfters erscheinen würde und man ahnt schon wohin das Ganze führen wird. David macht unterdessen mit Peggotty eine 14tägige Reise nach Yarmouth, einem netten verträumten englischen Küstenstädtchen. Hier, bei Peggottys Bruder, verbringt David wohl die schönste Zeit seiner Kindheit. Auch lernt er hier die reizende kleine Emily kennen, welche genau wir ihr "Bruder" Ham von den Peggottys angenommen wurde. Zarte Liebesbande knüpfen sich, und man sieht sich auch später noch einmal wieder. Jedoch ist besagter Zauber verflogen, da die von den Peggottys verwöhnte Emily sich mehr und mehr als äußerst zickiges Wesen entpuppt. Zurück in seiner Heimat Blunderstone hat sich viel verändert. Aus Mrs. Copperfield wurde Mrs. Murdstone - aus einer zerbrechlichen Seele wurde eine gebrochene, welche im eigenen Haus nichts mehr zu sagen hat. Von nun an regiert nur noch Mr. Murdstone nebst seiner ebenso "netten" Schwester Jane. Man möchte David loswerden und gibt ihn in ein Internat, in welchem es David auch keinen Deut besser ergeht. An dieser Stelle möchte ich auf eine der zuvor angedeuteten Ungereimtheiten aufmerksam machen. Auf eine Schlüsselszene, in der David seinem Stiefvater Murdstone während einer Züchtigung in die Hand beißt, wird verzichtet. Auf die Szene, in der David im Internat mit einem Schild »bissiger Hund« wohl mehrere Wochen herumlaufen muss, seltsamerweise nicht. Im Hörspiel erfährt man also nicht, was es mit dem Schild, welches der sadistische Hausmeister Mr. Tungay wohl im Auftrage Mr. Murdstones angefertigt hatte, auf sich hat - schade. Nachdem Davids Mutter, die an der tyrannischen Art der Murdstones zutiefst gelitten hat, gestorben ist, nimmt man David aus dem teuren Internat. Arbeiten ist jetzt angesagt und zwar in Mr. Murdstones Londoner Weinhandlung. Untergekommen ist er in dieser Zeit bei dem netten aber chronisch überschuldeten Mr. Micawber, welcher aber wegen seiner argen finanziellen Lage schließlich ins Gefängnis muss. Verzweifelt flieht David nun nach Dover zu seiner Großtante Mrs. Trotwood, welche David ein neues Heim gibt, in dem er sich erstmalig wieder wohlfühlen kann. Auch der nette Mr. Dick lebt dort. Dieser ist geistig behindert und sollte von seinem Bruder eigentlich in die Irrenanstalt gesperrt werden, was die resolute, aber herzensgute Mrs. Trotwood zu verhindern wusste. Dies alles sowie auch der wichtige Part bei Mr. Micawber wird im Hörspiel teilweise oder ganz außer Acht gelassen. Mr. Murdstone und seine Schwester Jane kommen nach Dover, um David zurückzuholen. Dies wird von Mrs. Trotwood und Mr. Dick verhindert, und David kann fortan bei seiner Großtante wohnen bleiben. Ende gut - alles gut. Auch das Ende hätte wesentlich spannender erzählt werden können, indem man noch gezeigt hätte, wie die Murdstones zunächst noch auf die Rückführung Davids bestanden hatten. David Copperfield, eine supergeniale Geschichte - ziemlich, aber nicht ganz perfekt umgesetzt - verdient auf alle Fälle Beachtung, und es tut mir schon fast körperlich weh, es überhaupt kritisch betrachten zu müssen. Dicke 4 Mucks für ein gutes Hörspiel - »Alles klar, Mr. Dick?« - Mr. Dick zwinkert mir liebenswert zu ... |
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