E 2131
geben ein Fest




Kommentar von Pitichinaccio





»Sieh mal: Seit wir in Lindenhof zur Schule gehen, fällt unser Geburtstag jedes Mal in die Osterferien, dass wir bis jetzt nie während der Schulzeit Geburtstag hatten und deshalb nicht im Internat feiern konnten.«

(Hanni)




Mit dem recht harmlosen Titel »Hanni und Nanni geben ein Fest« beginnt die letzte Folge dieser Reihe, bei der der Lindenhof noch einmal den Hintergrund der Erlebnisse bilden soll. Denn die wirklich abschließende LP-Folge, »Hanni und Nanni im Landschulheim«, präsentiert als Schauplatz das Kinderheim »Pferdeburg« in Hasenwinkel mit der doch recht eigenwilligen Leiterin Fräulein Wagner und ihren abenteuerlichen Ausritten. Doch dazu an geeigneter Stelle mehr.

Aber ganz so harmlos wie der Titel der vorliegenden Folge vermuten lässt, präsentiert sich diese Episode dann doch nicht. Zunächst einmal: Hanni und Nanni haben in den Osterferien Geburtstag und beschließen, diesen später in Lindenhof nachzufeiern. Er wird dann schließlich auch in Form einer Schnitzeljagd umgesetzt, die auf Grund eines Unwetters im Landgasthof Birkenreuth endet. Dann folgt noch ein separater Schulausflug mit der neuen Lehrerin Fräulein Vogel, die zwar bestohlen wird, aber ihre Sachen zurückerhalten kann.






Verpackt in diesen überschaubaren Handlungsrahmen finden sich jedoch mehrere Geheimnisse, die hier zumindest einmal genannt werden sollten. Zwar bleibt dem Hörer die obligatorisch-verwirrende Einleitung erspart, Hanni, Nanni und ihre Mitschülerinnen befänden sich nach den Schulferien in einer komplett absurden Klassenstufe, aber dafür gibt es eine Menge anderer Ungereimtheiten.

1. Keine Geburtstagsfeier in Lindenhof?

Hannis Behauptung, sie hätten ihren Geburtstag noch nie in Lindenhof feiern können, ist schlichtweg gelogen. Ein kurzes Anspielen von Folge (4), »Lustige Streiche mit Hanni und Nanni«, beweist, dass sie es waren, die infolge ihres Geburtstages die »Montag-Mondschein-Mitternachts-Bade-Geburtstagsparty« veranstalteten, bei der Irene die Nacht im Garderobenschrank verbringen musste.

2. Wieviel gibt denn Pappi dazu?

Obwohl hier (was selten genug vorkommt) der Vater von Hanni und Nanni auftritt, wird nicht aufgelöst, wieviel Geld er zu der Geburtstagsfeier beisteuert. Als Kind hat es mich immer verrückt gemacht, dass man nicht erfuhr, auf Grund welchen Betrages er von Hanni zum »liebsten und besten Vater der Welt« gekürt wurde. Ich hätte eine genauere Kenntnis über den Betrag argumentativ gern bei Gelegenheit meinem Vater gegenüber verwendet. Immerhin: Man hört einen Schein knistern, fünf Mark sollten es also mindestens gewesen sein.

Zumindest aus juristischer Sicht empfiehlt es sich hier, § 263 StGB (Betrug) anzuprüfen. Die bereits oben widerlegte Behauptung, man habe noch nie den Geburtstag in Lindenhof gefeiert, dürfte eine Vorspiegelung falscher Tatsachen im Sinne des § 263 StGB darstellen. Ob Hanni und Nanni überhaupt strafmündig sind, kann nach den ebenso zahlreichen wie sinnfreien Sprüngen in der Schullaufbahn an dieser Stelle allerdings nicht abschließend festgestellt werden.

3. Woher kommt plötzlich Heidi Schaffrath?

Heidi Schaffrath war bereits seit Jahren eine vielbeschäftigte Synchronsprecherin, als diese Aufnahme entstand. Gleichwohl tauchte sie in den 1960'er Jahren gar nicht und in den 1970'er Jahren kaum unter dem EUROPA-Label auf. Einen einmaligen Auftritt gab es unter der Regie von Konrad Halver als Prinzessin Elisa in »Die sieben Schwäne« (LP E 257 mit der Titelgeschichte »Das Feuerzeug«). Dann übernahm sie erst wieder hier (1976) die Rolle von Fräulein Vogel, um ab 1980 bei EUROPA häufiger eingesetzt zu werden.

Nun ja: Vielleicht erklärt sich diese Abwesenheit durch den Umstand, dass Heidi Schaffrath die deutsche Stimme von Frau Sommer war, jener Herumtreiberin, die in der Fernsehwerbung Tag und Nacht vor dem Kaffeeregal im Supermarkt stand und den Kunden "Jacobs Krönung" aufschwatzte. Und hier gleich ein Gruß an Stephan C.: Ja, ja, ich weiß. Die Darstellerin war nicht Heidi Schaffrath, sondern Xenia Katzenstein.

4. Corny Lachner aber Pütti Lechner?

Und wieder einmal wird der Hörer über Identitäten getäuscht: In dem Buch »Hanni und Nanni groß in Form« (LP-Folge [10]) stoßen Corny Lachner und ihre Schwester Christel - genannt "Pütti" - zu den Schülerinnen von Lindenhof hinzu. Pütti wird vorliegend durch Hanni und Nanni zur bunte-Kappen-Verwahrerin bestimmt und erhält zugleich den Nachnamen Lechner. Kein Wort fällt darüber, dass sie mit Corny verwandt ist ... aber wer gibt auch gern zu, die Schwester eines Mädchens zu sein, welches nach einem Müsli-Riegel benannt wurde?

Insoweit trifft Nannis Einwurf »Du, aber da musst Du auch schreiben "1. Klasse", die kennt ja nicht jeder!« völlig zu: Wie soll die denn bitte auch jemand kennen, wenn ihr aus "Christel Lachner" eine "Pütti Lechner" macht? Einmal mit Profis arbeiten ...

5. Wer ist Christian von Zydowitz?

Das rückwärtige Cover nennt einen "Christian von Zydowitz" als Sprecher des Forsteleven Günter Wolf. Dieser Name taucht in der EUROPA-Discographie nur einmal auf, sodass man davon ausgehen kann, dass es sich hier um ein Pseudonym handelt. Der ungewöhnliche Name "von Zydowitz" in Verbindung mit dem Begriff »Forsteleve« ließ in mir früher nur einen Schluss zu: Das ist bestimmt ein Sonderling.

Und hier mein Aufruf, Herr von Zydowitz: Wenn Sie es Sie wirklich gibt und Sie das hier lesen, melden Sie sich bitte und lösen Sie das Rätsel Nr. 5. Sind Sie wirklich ein Sonderling und was ist ein Forsteleve?

6. Welche Rolle spielt Opa Holzhausen?

Opa Holzhausen ist nicht nur der zuständige Förster im Partybereich, sondern auch der Vater des Wirtes vom Gasthof »Birkenreuth«. Dies erfährt der Leser beiläufig ebenfalls in dem Buch »Hanni und Nanni groß in Form«, welches sich langsam zu einer Art Sekundärliteratur mausert, um die vorliegende verworrene Geschichte verstehen zu können. Ist Opa Holzhausen eventuell der lang gesuchte Pate Capo Casa Legno di Birkenreuth, der später den Rotwein in den Tee der Geburtstagsgäste mischt, um die Minderjährigen betrunken zu machen?

7. Was genau hat Elli wirklich vergessen?

Zugegeben, hier liegt vielleicht ein Missverständnis vor, aber als Kind habe ich immer gedacht, Elli hätte am Tag der Feier vergessen, loszufahren und mitzufeiern. Bei realistischer Betrachtung muss ich aber einräumen, dass Ellis Versäumnis wohl eher darin liegt, Hanni und Nanni gar nicht erst gratuliert und daher überhaupt keine Einladung erhalten zu haben. So richtig kindgerecht wird das aber auch nicht aufbereitet.

8. Zwei oder vier Diebe von Heuer?

Und zu guter Letzt: Was wird denn da für ein Geheimnis um die Handtaschendiebe gemacht? Zum einen gibt die Frage der Wirtin »Waren die Burschen an dem letzten Tisch da, waren die nicht von Heuer?« für den Hörer keinen Sinn, denn wer oder was soll denn bitte "Heuer" sein? Außerdem stellen die Mädchen und Hubert nachher gut hörbar nur zwei (!) Kleinkriminelle, deren Stimmen Lutz Schnell und Stefan Schwade gehören. Also ebenfalls nichts mit "vier Dieben", wie es das Rückcover behauptet.






Aber gut: In dieser Geschichte ist schon so viel aus niedrigen Beweggründen gelogen und betrogen worden, dass es auf die Anzahl der Diebe nun auch nicht mehr ankommt. Natürlich sind es auch nicht die oben aufgeworfenen Fragen, welche das Hörspiel ausmachen. Die Stimmung ist gelassen-unterhaltsam, die Sprecher leisten gute Arbeit, und trotzdem werden für mich Regine Lamster und Manuela Dahm (die sich zu allem Überfluss in ihrer neuen Rolle als Corny mit Nanni unterhält) immer das Urgestein in dieser Reihe bleiben. Insoweit alles gut bis auf dieses kleine Manko.





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