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1. Kommentar von Pitichinaccio |
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Nach dem misslungenen »Duell mit dem Vampir« legt H.G. Francis mit dieser Geschichte eine überzeugendere Idee vor. Anders als bei Folge (6) der »Gruselserie« greift der Autor hier wieder ein bereits bekanntes Thema auf, welches seit den 1930'er Jahren in den USA immer wieder verfilmt worden war: die rächende Mumie. Grundlage der Handlung war dabei stets die Erforschung ägyptischer Grabstätten durch europäische oder amerikanische Forscher mit der notwendigerweise einhergehenden Störung der Totenruhe, welche die Archäologen schließlich mit dem Leben bezahlen. Vollstrecker der Rache ist dabei die zum Leben wiedererweckte Mumie selbst, welche am Ende der Geschichte in einem Feuer umkommt. Während sich die Rache der Mumie in den Filmen nicht selten im Heimatland der Forscher abspielt, in welche der Leichnam mitgenommen wurde, lässt Francis Merikara die Sache gleich vor Ort erledigen. Noch während der Ausgrabungen gibt es die ersten Toten und auch das Schicksal des wiedererweckten Toten erfüllt sich vor Ort in der Oase. Dabei fällt die Vergeltung gegenüber den Eindringlingen fast zurückhaltend aus, denn bevor die Gruppe um Dr. Jansing das Grab Merikaras betrat, hatten bereits fremde Grabräuber die Ruhestätte geplündert. So sind denn diese auch das primäre Ziel des bandagierten Vollstreckers. Etwas störend fällt im Hörspiel auf, dass die Hauptperson erst am Ende der ersten LP-Seite in Erscheinung tritt und sich die - nicht sehr komplexe - Handlung doch recht langsam aufbaut. Andererseits weist die Geschichte in ihrem Verlauf keine großen Logikfehler auf und ist recht atmosphärisch, selbst (oder gerade?) in den kleinen Szenen, beispielsweise als der Polizist bestochen wird. Lässt man außer Acht, dass dem aufmerksamen Hörer viele Sprecher dieser Folge, unter ihnen Hannes Messemer, Heidi Schaffrath, Gottfried Kramer und Wolf Rahtjen, nur drei Folgen später auf Draculas Insel gemeinsam wiederbegegnen, so ist die Besetzung der Protagonisten durchaus gelungen. Der mürrische Leiter der Expedition (Hannes Messemer als Dr. Erich Jansing) und die Forschertochter, deren Charakterisierung die Nähe zu den stets in Gefahr befindlichen und hysterisch schreienden Frauen der oben bereits erwähnten Mumienfilme nicht leugnen kann (Heidi Schaffrath als Heide Jansing) präsentieren überzeugende Dialoge. Eine passende Komplettierung erfahren die beiden durch Joachim Richert, dessen zunächst skeptischer und zynischer Charakter James Callaghan durch die Geschehnisse nach und nach von einer ängstlichen Verunsicherung gepackt wird. In Ordnung geht auch Wolf Rahtjen als Darsteller des Muhammad, welcher offenbar mehr weiß, als er preisgeben will. Allein der Auftritt Gottfried Kramers in der Rolle des alten Jussuf wirkt und wirkte auf mich stets etwas aufgesetzt, so, als gehöre diese Figur eigentlich gar nicht zur Geschichte. Sehr angenehm fällt die musikalische Untermalung des Hörspiels auf, welche bei wechselnden Komponisten durchgehend auf einen pseudo-arabischen Klang setzt. Eine ebenso gute Idee war die Verwendung eines stark verlangsamten Stückes von »Betty George« (= Sammelpseudonym), um die gezwungenermaßen recht wortkargen Auftritte Merikaras zu begleiten. Fazit: Eine solide Umsetzung einer soliden Geschichte mit guten Sprechern und klug eingesetzter Musik. |
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2. Kommentar von Christoph |
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Jetzt mal ehrlich, wirklich horrormäßig gruselig sind eigentlich die wenigsten Folgen der Gruselserie. Und wenn, sind es auch immer nur wenige Momente. Feiner subtiler Thrill, wie beispielsweise im »Schloss des Grauens« (Folge 4), ist eher Mangelware, unverhohlene Härte à la »Gräfin Dracula, Tochter des Bösen« (Folge 8) wird hingegen deutlich öfter geboten. Dennoch ist die Altersempfehlung (»ab 14 Jahre«) bei der Neuauflage der Gruselserie (MC & CD) für mich nicht nachvollziehbar. Jeder ARD-»Tatort«, der ja zur besten (und auch noch kinderfreundlichen) Sendezeit läuft, ist meines Erachtens bedenklicher. In Sachen Grusel muss sich vorliegendes Hörspiel jedenfalls ganz und gar nicht verstecken. Im Gegenteil, meines Erachtens geht einem gerade bei dieser Folge der Arsch (vulg. für Gesäß) so hin und wieder dann doch mal auf Grundeis. Auch wenn man ein bisschen länger drauf warten muss, so ist das Erscheinen der Mumie kurz vor Ende der ersten Seite dann doch ein Hammer der Extraklasse. Ich glaube, das ist der unheimlichste Moment der gesamten Gruselserie. Ich erinnere mich gut daran, dass ich als Kind dann immer noch einen Augenblick benötigt habe, um mich zu sammeln, bevor ich dann endlich die Schallplatte umdrehte. Warum ist diese Szene so gruselig? Da ist zum einen diese unendlich langgezogene (gebremste) verstörende Musik, die einem die Luft nimmt. Dann ahnt man schon, dass Merikara in die Grabkammer zurückkehren wird. Man hört bereits Schritte. Plötzlich weiß man es (»Es ist die Mumie! Mein Gott, es ist die Mumie ...«). Dann diese erstickenden Geräusche, die die Mumie von sich gibt. Als würde Merikaras Pein - er ist ja lebendig in die Grabkammer eingeschlossen worden und dort wohl jämmerlich erstickt - niemals enden. Warum geht diese Mumie um? Wird sie töten, um sich zu rächen? Wen wird ihre Rache treffen? Oder will sie einfach nur ihre Totenruhe? Also einerseits die Musik und anderseits diese doch eigentlich bedauernswerte Kreatur, welche an Unberechenbarkeit wohl unübertroffen sein dürfte. Dabei agiert sie kaum, und sprechen tut sie schon gar nicht. Aber genau dies erzielt eine nicht zu unterschätzende Wirkung, da hierdurch dem Hörer ein gewaltiger Interpretationsspielraum geschaffen wird. Ich würde es mal als "Michael-Myers-Effekt" bezeichnen. Man hat keinerlei Anhaltspunkte, an welchen man sich entlanghangeln könnte, um zu begreifen, wie das "Böse" tickt beziehungsweise funktioniert. Ein tiefes, unergründliches, schleichendes und unabwendbares Grauen. Und plötzlich schlägt es zu. Doch das Hörspiel hat weitaus mehr zu bieten. Ich fange mal mit dem Schluss an, genau genommen mit den abschließenden Worten Günther Ungeheuers. Ich kenne kein zweites Hörspiel der Gruselserie, welches allein schon erzähltechnisch zu einem so schönen Abschluss gebracht wird. Das, was Ungeheuer hier vorträgt, erzeugt Gänsehaut pur. Auch finde ich es genial, dass es sich um ein offenes Ende handelt, sodass erneut Raum für eine Vielzahl von Interpretationsmöglichkeiten geschaffen wird. Ich schätze, nahezu jeder Hörer wird sein eigenes Finale hierzu definieren. Chapeau! Auch die Weissagungen des alten Jussuf (wie immer genial: Gottfried Kramer), welche ich zugegebenermaßen nur zu etwa 50% verstanden habe (ich vermute, Ägyptologen wird es nicht viel anders ergangen sein), finde ich sehr beeindruckend. So etwas muss man sich erst einmal einfallen lassen. Und bevor ich auf die Hauptsprecher komme, möchte ich zunächst auf die überaus passende und stimmige Musik (ist eigentlich klar, da Wüstenmusik) hinweisen. Diese funktioniert wirklich sagenhaft und erzeugt eine selten gelungene Atmosphäre, sodass man sich wirklich fragt, warum man so etwas bei aktuellen Hörspielen und all der Technik heutzutage nur so selten zu hören bekommt. Nein, hier wirkt alles sehr echt und professionell und man glaubt sich für eine knappe dreiviertel Stunde wirklich im Land der Pharaonen - ein würdiger Rahmen für eine eigentlich ziemlich einfach gestrickte Story, welche man gefühlt schon gute hundertmal so im Fernsehen gesehen hat. Ein Ausgrabungsteam findet im Tal der Könige ein Grabmal, welches zwar schon berührt, jedoch seltsamerweise nicht bis auf den letzten Tontopf geplündert wurde. Natürlich werden die Grabschänder zuvor wieder eindringlich vor einem drohenden Unheil gewarnt. Natürlich schert sich das Ausgrabungsteam darum wiederum einen feuchten Dreck (vulg. für Unrat) und natürlich wird es das "Buddelteam" wieder herzlich bereuen. Es versteht sich fast von selbst, dass nun Schluss mit Lustig ist und die Mumie von da an versuchen wird, die Beteiligten in eine andere Welt zu befördern. In all diesen Irrungen und Wirrungen trifft es hierbei vor allem einen ziemlich hart. Er hört auf den recht traditionellen Vornamen Ali und wird mal erschossen, mal erschlagen und stirbt (wenn ich mich recht entsinne) sogar noch ein drittes Mal. Es wäre aber auch durchaus möglich, dass es mehrere Alis gibt oder besser gesagt gab, auch wenn dies so rein romanschreibtechnisch aus Gründen der Verwechselung eigentlich zu vermeiden ist. Was soll's. Eigentlich wollte ich hiermit auch nur sagen, dass Ali wirklich tot ist. Over. Geleitet werden die Ausgrabungen von dem Deutschen Dr. Erich Jansing, was für sich genommen schon ein Gewinn sein dürfte, waren die Experten in Sachen Grabungen doch sonst zumeist im United Kingdom beheimatet. Und Dr. Jansing, besser gesagt Hannes Messemer, macht seine Sache gut. Sehr gut sogar. So gut, dass man diesen alten Kauz förmlich sehen kann und man gewillt ist, in Deckung zu gehen. Messemer ist hier sogar noch einen Ticken besser, als später auf »Draculas Insel, Kerker des Grauens« (Folge 10). So ganz ohne britische Beteiligung geht es dann aber doch nicht und so gibt Joachim Richert einen wahrhaft liebenswerten Engländer ab. James Callaghan, der Zynismus in Person und ein Kerl zum Gernhaben. Auch erwähnenswert ist noch Heidi Schaffrath als Heide, Tochter des Dr. Jansing. Heidi als Heide, irgendwie witzig. Den mysteriösesten Part in diesem Hörspiel spricht hingegen Wolf Rahtjen in der Figur des Muhammad. Dieser ist mehr oder weniger omnipräsent, berät, erläutert, warnt und ist am Ende schließlich spurlos verschwunden. Seine Funktion wird nie so richtig klar. War er schon vor den Ausgrabungen da? Wurde er gerufen? Hat er was mit der Mumie zu tun? Ist er vielleicht sogar das lebende Spiegelbild des Merikara? Man weiß es nicht. Interessant ist auch das Cover-Artwork. Dies ist, abgesehen von der Anpassung an den Neon-Look, praktisch eins zu eins einem der Aushangbilder des Horrorfilms »Die Rache der Pharaonen« (1959) aus den Englischen Hammer-Film-Studios entnommen. Auch in Hinblick auf eines meiner Lieblingsalben von Iron Maiden - »Powerslave« (1984) - ist mir dieses Cover-Artwork sehr genehm. »Die Begegnung mit der Mörder-Mumie« - das siebte Hörspiel der Serie und ein tolles dazu. Sicherlich nicht ganz einfach, mit Ecken und Kanten und viel Raum für Phantasie. Eine gekonnte Geisterbahnfahrt im Schatten der Pyramiden. Und bitte nicht vergessen: den Schlangenstab, das Amulett und den Skarabäus. 5 Mucks - ganz klar. |
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